Gehirntheorie des Menschen

ISBN 978-3-00-068559-0

Monografie von Dr. rer. nat. Andreas Heinrich Malczan

7.  Die Folgen der Signaldivergenz für die neuronalen Substrukturen  


Mit dem Beginn der Signaldivergenz erfolgte eine wesentliche Veränderung im Aufbau vieler Substrukturen des Gehirns.

Es begann schleichend. Im Spinocerebellum dehnte sich der Nucleus olivaris flächenmäßig aus, Reserveneuronen wurden in die Signalübertragung einbezogen. Die Übertragungssicherheit wuchs.

Doch die Gesetze der Signaldämpfung auf marklosen Fasern – und alle Neuronenkerne besitzen im Inneren kein Myelin – hatte eine Extremwertcodierung zur Folge. Plötzlich waren Gelenkwinkel genauer analysierbar. Bewegungen konnten feiner gesteuert werden.

Außerdem entstand die Klasse der invertierten Signale. Diese konnten durchaus als eine neue Modalität angesehen werden. Für das Strickleitersystem hatte dies weitreichende Folgen, besonders in der ersten Etage, dem Cortex.

Verschiedene Modalitäten trennen sich bereits früh in Verlauf der Evolution auf. So entstanden die verschiedenen Schleifen des Strickleitersystems: Die Temporalschleife, die Parietalschleife, die Okzipitalschleife sowie die Frontalschleife, die auch den Output des Spinocerebellums empfing. Hier gab es nun zwei Modalitäten: die Originalsignale der motorisch wirksamen Rumpfrezeptoren und die invertierten Signale der gleichen Rezeptoren der Gegenseite. Beide stellten verschiedene Modalitäten dar: Die Originalsignale waren On-Signale, ihre Feuerrate nahm mit der Stärke der gemessenen Größen zu. Die Cerebellumsignale dagegen waren Off-Signale, sie gingen durch Signalinversion aus den On-Signalen hervor (Monotonieumkehr). So gab es zwei Modalitäten, die aber in einer Punkt-zu-Punkt-Abbildung je paarweise zusammengehörten. Das ON-Signal gehörte zur ipsilateralen Motoneuronen, das Off-Signal zur kontralateralen Seite.

Als der Output des Spinocerebellums nicht nur die inverse Erregung im Nucleus ruber bewirkte, sondern ebenfalls den Weg zur obersten Etage (dem späteren Frontalcortex) nahm, empfing die sensorische Seite des Frontalcortex nun 2 Signalmodalitäten: ON-Signale und Off-Signale.

Diese Neuronen begannen, sich genau übereinander zu positionieren. Damit bestand die Inputschicht 4 der sensorischen Seite aus zwei Subschichten: Die untere, ältere, waren die bisherigen ON-Signale der Rezeptoren dieser Körperseite. Die obere, jüngere Schicht waren die Off-Signale der Gegenseite des Rumpfes, die auf dem Umweg von Nucleus ruber die Olive der Gegenseite erreichten, zum Spinocerebellum zogen, von diesem invertiert wurden und nun im sensorischen Teil des Frontalcortex in der Schicht 4 die obere Subschicht bildeten.

Dies war übrigens bei vielen Modalitäten so. Alle Signale, die auch das Spinocerebellum durchliefen und dort invertiert wurde, konnten im Cortex zur Aufspaltung der vierten Schicht in eine On-Schicht und eine Off-Schicht führen. Dies traf auch auf alle späteren Gyri zu.

Und in anderen Schleifen des Strickleitersystems bzw. Gyri des Cortex trat diese Doppelschichtbildung ebenfalls auf. Hier gab es teils andere Ursachen: Bereits auf Rezeptorebene entstanden On-Off-Systeme. Im visuellen System in der Retina entwickelten sich On-Ganglienzellen und Off-Ganglienzellen. Ursache war die Herausbildung von Bandsynapsen in den Rezeptoren. Diese waren dauererregt und wurden von den eigenen Rezeptorsignalen relativ gehemmt, was die Bildung eines zusätzlichen Off-Signals zur Folge hatte. Auch andere Rezeptorsysteme (olfaktorische, vestibuläre, Hörrezeptoren, Geruch- und Geschmacksrezeptoren, …) brachten Rezeptoren mit On-Kennlinien und parallel dazu mit Off-Kennlinien heraus.

So kam es auch unter anderem im visuellen Cortex – und viel früher schon in der Occipitalschleife des Strickleitersystems – zur visuellen Doppelschichtbildung vom On-Off-Typ in der Schicht 4 des sensorischen Teils des Cortex.

Weil aber eine Teilung einer Schicht im Schichtensystem die Teilung der zugehörigen Outputschicht zur Folge hat, teilte sich auch die Schicht 3 in zwei Subschichten. Hier war die Kopplung jedoch so stark, dass jede Subschicht des Typs 4 mit ihrer Subschicht 3 direkt verbunden blieb.

So lag auf der sensorischen Seite über der Inputschicht 4-On immer eine Outputschicht 3-On, darüber jedoch eine Inputschicht 4-Off, über der eine Outputschicht 3-Off lag.

Damit lag die Outputschicht 3-On genau zwischen den beiden Inputschichten 4-On und 4-Off. Sie sollte eine besondere Rolle erhalten: Sie war die Keimzelle für die Bildung von Divergenzmodulen mit vertikaler Signalüberlagerung.

Denn als sich in dieser S3-On-Outputschicht die Neuronen ebenfalls teilten, also ihre Anzahl erhöhten, um auf diese Weise Reserveneurone einzubeziehen und die Ausfallsicherheit zu erhöhen, verteilte sich der Output der zwei benachbarten Schichten 4-On und 4-Off auf genau diese Neuronen. Grund war die Signalverwandtschaft der On- und Off-Signale, die bereits dazu führte, dass beide Inputvarianten stets in einer Punkt-zu-Punkt-Abbildung die Doppelschicht bildeten. Damit war das Divergenzmodul auf der sensorischen Seite entstanden. Erkennbar sind solche Divergenzmodule an der großen Schichtdicke der beteiligten Subschichten. Beschrieben wurde ein solches Divergenzmodul mit vertikaler Signalmischung im Kapitel 1.1.2 (Helligkeitsmodul) und im Kapitel 1.1.1. /Farbmodul).

Auf der motorischen Seite passierte das Gleiche, hier bildeten jedoch die Neuronen der Klasse 5 die Outputneuronen. Weil sich die sensorischen Signale in die zwei zueinander komplementären Signalklasse vom On-Typ und vom Off-Typ aufgespalten hatten, musste sich die Outputklasse 5 ebenfalls in die Subklassen 5-On und 5-Off aufspalten. So teilte sich die fünfte Schicht auf der motorischen Seite des Strickleitersystems bzw. des Cortex in eine Doppelschicht S5-On und S5-Off. Auch hier lag die ältere Subschicht S5-On unten und die jüngere Schicht S5-Off darüber.

Und als auf der sensorischen Seite in der Outputschicht S3-On die Bildung von Reserve-Outputneuronen einsetzte, kamen in der Schicht S5 nun statt zwei Outputaxonen drei, vier, 10 oder 100 an. Jedes von ihnen okkupierte ein Interneuron in der Schicht 5, und zwar auf der gleichen Höhe, die das Outputneuron in der Schicht 3 hatte. So entstand auch auf der motorischen Seite ein Modul, in dem jedoch die vielen Inputsignale auf genau zwei Outputsignale konvergierten. Der Input endete oben an einem Outputneuron der Schicht S5-Off und unten an einem Outputneuron der Schicht S5-On. Zwischen ihnen befanden sich je nach Entwicklungsstand dutzende, hunderte, tausende oder zehntausende Interneuronen des zugehörigen Konvergenzmoduls des motorischen Cortex.

Nun ist es aber nicht damit getan, die Signaldivergenz und die Signalkonvergenz auf den Cortex oder den Nucleus olivaris zu beschränken.

Alle Cortexsignale verlassen den Cortex auf der motorischen Seite unter anderem in Richtung Thalamus, in Richtung des Nucleus subthalamicus oder in Richtung der Substantia nigra pars compacta (für die Bewegungserkennung durch die Basalganglien). Viele dieser Signale – etwa die der Basalganglien, treffen im Thalamus wieder ein, um sich mit anderen zu überlagern. Auf all diesen Signalwegen wird die Signaldivergenz weitergegeben. Daher sind die Neuronenschichten in der Substantia nigra, im Striatum, im Nucleus subthalamicus, in der Olive, in den Kleinhirnkernen und auch im Thalamus nicht mehr einlagige Zellschichten, sondern bestehen sowohl aus den gleichen Input- und Outputschichten 1 bis 6 wie der Cortex, aber auch aus den Subschichten vom ON- und Off-Typ mit dazwischenliegenden Interneuronenschichten, die die divergierten Signale wieder zusammenführen. Gut kann man dies am Beispiel des visuellen Thalamus, dem Corpus geniculatum laterale, erkennen.

Die Divergenz- und Konvergenzmodule setzen sich also in allen neuronalen Strukturen fort. Deshalb ist das zentrale Nervensystem der Menschen und vieler anderer Spezies so kompliziert aufgebaut und so schwer zu durchschauen.

Die Signaldivergenz in den neuronalen Strukturen begann nach Ansicht des Autors als vertikale Signaldivergenz. Zwischen den Inputneuronen der On-Signale, die eine eigenständige Neuronenschicht bildeten, und den Inputneuronen der Off-Signale, die ebenfalls eine eigenständige Schicht bildeten, befanden sich die Outputneuronen. Diese empfingen Input sowohl von der oberen On-Schicht als auch von der unteren Off-Schicht. Die Signale breiteten sich vertikal aus. Die On-Signale breiteten sich über Interneuronen nach unten aus, während die Off-Signale sich nach oben ausbreiteten. Daher war diese Struktur ein Divergenzmodul mit vertikaler Signalausbreitung.

Genau diese Art von Modulen mit vertikaler Signalausbreitung müssen aus evolutionärer Sicht die Ältesten sein. Wir finden sie daher unter anderem bei Reptilien und bei Vögeln, beispielsweise im dorsalen ventrikulären Kamm (DVR - dorsal ventricular ridge) sowie im Hyperpallium und wahrscheinlich auch anderen bei niederen Wirbeltieren.

Es ist anzunehmen, dass hier die Axone der Interneuronen wenigstens anfänglich noch unverzweigt waren und die klassische Kabelgleichung für myelinfreie Axone zutraf, bei der die Signaldämpfung exponentiell mit der Entfernung wuchs. Dann lag hier eine Minimumcodierung der Signale vor, weil die Übertragungsfunktion streng konvex war. Die Signale waren so jedoch für eine motorische Steuerung unbrauchbar, denn diese erforderte eine Maximumcodierung. Deshalb mussten diese motorischen Signale generell vom Spinocerebellum invertiert werden, wodurch sie wieder maximumcodiert und damit brauchbar wurden für die Motorik.

Als sich im Verlauf der Evolution die Axone der Interneuronen stärker verzweigten und letztlich große, stark verzweigte „Axonbäumchen“ bildeten, nahm die Dämpfung nicht mehr exponentiell mit der Entfernung zu, sondern deutlich stärker und mit dem Quadrat der Entferung. Schließlich mussten sich die Ionenwolken in der Nervenzelle nicht mehr einfach linear ausbreiten innerhalb einer Röhre (Axon), sondern in der Fläche oder gar im Raum verteilen, wodurch die Ionenkonzentration deutlich stärker abnahm.

Die quadratische wirkende Dämpfung bewirkte den Übergang von der Minimumcodierung zur Maximumcodierung, denn nun war die neuronale Übertragungsfunktion plötzlich strikt konkav und besaß im Konkavitätsgebiet ein eindeutiges Maximum. Damit konnte im bisherigen Spinocerebellum die Signalinversion entfallen, sie wurde überflüssig. Doch das Spinocerebellum entwickelte sich nicht mehr zurück und konnte nicht degenerieren. Dazu erhielt es viel zu viel Input und generierte viel zu viel Output. Oft wurde es weiterhin benötigt, um beispielsweise motorische On-Signale zu invertieren und aus ihnen Off-Signale zu erzeugen, damit die Neuronenkerne ihre Doppelschicht aus On/Off-Signalen bilden konnten. Viele andere Modalitäten erzeugten inzwischen sowohl On-Signale als auch Off-Signale eigenständig, so beispielsweise der Sehsinn. Doch der Output dieser Kerne war nun maximumcodiert und benötigte keine weitere Signalinversion im Spinocerebellum, so dass dieser Teil von ihm eigentlich überflüssig wurde.

Doch ein glücklicher Umstand führte dazu, dass sich aus diesem Teil des bisherigen Spinocerebellums das Pontocerebellum entwickeln konnte. Grund war die nun einsetzende Signaldivergenz in der Fläche, die zusätzlich zur bisherigen vertikalen Signaldivergenz hinzukam. Mit ihr entstanden in den primären und sekundären Cortexgebieten die großen Mittelwertneuronen, die absteigend über den Nucleus ruber und den Nucleus olivaris als Kletterfasern ins bisherige Spinocerebellum projizierten, so dass dieses die Funktion des Pontocerebellums hervorbrachte.

Dieser Prozess, der bei den Primaten besonders weit voranschritt, brachte die Lernfähigkeit des Pontocerebellums hervor. Die primäre Ursache lag in der Herausbildung der räumlichen Gestalt der Axone der Interneuronen, die nun keine einfachen, geraden Röhren darstellten sondern eher dem Wurzelwerk von Pflanzen glichen, extrem fein verzweigt und mit strikt konkaver Übertragungsfunktion. Dadurch trat die Maximumcodierung auf und die Signalinversion des bisherigen Spinocerebelleums konnte entfallen. Das cortikale Mittelwertsystem lieferte die Kletterfasersignale für das cerebellare Lernen.

Zusätzlich wechselten im bisherigen Spinocerebellum die Purkinjezellen ihre Arbeitsaufgabe. Sie dienten nicht mehr der Signalinversion, sondern empfingen beim Übergang zur Maximumcodierung das Kletterfasersignal, welches der Protokollierung der Gelenkwinkel diente. Damit erfolgte der Übergang vom invertierenden Spinocerebellum zum sensomotorischen Protokollmodul, welches im Kapitel 14.7 beschrieben wird. Dies ist eine der Voraussetzungen für das Körperbewusstsein.

Doch auch Reptilien und Vögel konnten das cerebellare Lernen nutzen. Ihre Neuronenkerne mit Minimumcodierung sandten die Signale zum Spinocerebellum, wo sie invertiert wurden und nun maximumcodiert waren. Über die Kleinhirnkerne zogen sie zum Cortex. Dieser projizierte über die Brückenkerne ins entstehende Pontocerebellum und lieferte gleichzeitig die Mittelwertsignale ans Kletterfasersystem. So hatten auch Reptilien und Vögel ein Pontocerebellum.

Der Unterschied zwischen Reptilien und Vögeln auf der einen Seite und (höheren) Säugetieren auf der anderen Seite liegt sehr wahrscheinlich in der Fähigkeit der Säugetiere, die Maximalcodierung gleich in der ersten Stufe in den Neuronenkernen zu realisieren, während Reptilien und Vögel zunächst minimimcodierte Signale in den Neuronenkernen erzeugten und diese anschließend im Spinocerebellum invertieren mussten. Erst dann konnte das Pontocerebellum seine Lernfähigkeit einsetzen.

Die Unfähigkeit zur direkten Maximalcodierung war verbunden damit, dass keine ebenen Divergenzmodule gebildet werden konnten. Damit war eine Ausdehnung neuronaler und vor allem cortikaler Strukturen in der Ebene (Fläche) nicht möglich. Dies gereichte den Vögeln jedoch zum Vorteil. Ihre Gehirne waren kompakter und damit auch leichter, was auch ein leichteres Kopfskelett zur Folge hatte. Diese Gewichtseinsparung ermöglichte es den Vögeln, sich in die Luft zu erheben. Hier brachte jedes Gramm weniger einen Vorteil.

Es wäre zu erforschen, ob Reptilien und Vögel die Vorteile von Divergenzmodulen mit Maximumcodierung überhaupt nutzen können, möglicherweise im visuellen Bereich. Im motorischen Bereich scheinen bei ihnen jedenfalls vertikale Divergenzmodule mit Minimumcodierung die Signalauswertung vorzunehmen, und die Signalkonvergenz wird in diesen Bereichen ebenfalls von vertikalen Konvergenzmodulen (Hyperpallium) realisiert.

Welchen Vorteil die Maximumcodierung in neuronalen Kernen besitzt, wird im Kapitel 14.7 „Sensomotorische Protokollmodule“ aufgezeigt, der sich mit dem räumlichen Sehen befasst.

Bei den Säugetieren trat parallel zur Signaldivergenz in der Ebene wenigstens bei den höheren Arten eine Trennung der On-Off-Modalitäten auf. Dadurch lösten sich die bisherigen On-Off-Doppelschichten auf und beide Modalitätenarten ordneten sich nun alternierend in der Ebene an (Beispiel primärer visueller Cortex). So kam es, dass die zu einem Gelenk mit zwei Freiheitsgraden gehörenden vier Signale (siehe Augenbewegungen oder Armbewegungen) an den Ecken eines in der Ebene liegenden Quadrats endeten. Durch die in der Ebene stattfindende Maximumcodierung konnten nun die Gelenkwinkel einfacher analysiert werden. Bei den visuellen Signalen trat diese On-Off-Trennung der Doppelschichten, die im visuellen Thalamus noch vorhanden waren, ebenfalls auf und ist cortikal nachweisbar. Hier ist es durchaus möglich, dass diese Signaldivergenz in der Ebene bzw. im Raum (Divergenmodule mit räumlicher Signalausbreitung und Maximumcodierung) ebenfalls bei den Vögeln zu beobachten sein wird. Grund ist die Herausbildung von Interneuronen, die eine seitliche Signalaubreitung in der Fläche der Retina ermöglichten, die dann vom visuellen Cortex übernommen wurde.

Die Nutzung der Maximumcodierung brachte den Säugetieren einen erheblichen intellektuellen Vorteil.

Erkennbar wird es erst dadurch, dass man die Neuronen (zunächst einmal) vergisst und nur die Signale betrachtet. Dann zeigt sich der Modulaufbau des Gehirns und man versteht die elementaren Grundlagen seiner Signalverarbeitung. Wer zuerst ergründen will, wie das Gehirn denkt, der wird scheitern. Er sollte als Gehirnforscher diese Frage den Philosophen überlassen und die Signalverarbeitung im Gehirn studieren.

Hier wird deutlich, dass das Vorhaben des Human Brain Projekts, jede Synapse im Cortex genau zu erfassen, niemals zum Ziel führen wird. Doch wer die Struktur von cortikalen Divergenzmodulen und Konvergenzmodulen verstanden hat, hat 60 % der Arbeitsweise der primären sensorischen und motorischen Cortexgebiete verstanden. Weitere 20 % Verständnis können wir hinzufügen, wenn wir die Arbeitsweise der Basalganglien und ihren Beitrag zur Bewegungs- und Geschwindigkeitsanalyse hinzufügen. Die übrigen 20 % Verständnis für die primären Cortexgebiete sensorischer und motorischer Art werden sich aus der Rückwirkung der Mittelwertkerne des Gehirns ergeben. Auch wenn ich hier noch nicht alle Zusammenhänge verstanden habe, so scheinen die Mittelwertsysteme in die Beurteilung darüber eingebunden zu sein, was für das Lebewesen gut und was schlecht ist. Und sie scheinen so einzuwirken, dass „gute“ Signale gefördert, verstärkt, bevorzugt werden, während „schlechte“ Signale gemieden werden und zur motorischen und geistigen Abwendung führen. Der Schlüssel dafür – dass sei hier vorab verraten – liegt in der zusätzlichen (unspezifischen) Rückprojektion der verschiedenen Mittelwertkerne über ihre Transmittersysteme in das Cerebellum. Dort wird das Erlernen positiver Signale durch entsprechende Transmitterfreisetzung allgemein unterstützt, während bei negativ bewerteten Signalen wahrscheinlich durch andere Neurotransmitter aus den Mittelwertsystemen die Abspeicherung der zugehörigen inversen Signale vom Off-Typ gefördert wird.

So sind die Mittelwertsysteme die Beurteiler dessen, was für das Lebewesen vorteilhaft ist und was nicht. Dies führt im intellektuellen Bereich zur Entstehung von Moralkategorien.

Die Schmerzrezeptoren haben innerhalb dieser Algorithmen die Aufgabe, Nachteile für das Lebewesen zu erkennen und an die Mittelwertsysteme weiterzuleiten. Das dopaminerge System dagegen – hervorgegangen aus den Regelkreisen für die Olfaktorik, Verdauung und Nahrungsverwertung, scheint die positiven Aspekte zu bewerten. Wann immer ein positiv oder negativ bewerteter Reiz zusammen mit anderen, etwa motorischen Signalen auftritt, wird die motorische Reaktion durch Prägung mit dem motorischen Reiz verknüpft. Die positive Verstärkung erhöht die synaptische Kopplung mit den motorischen Originalsignalen vom On-Typ, die negative Verstärkung wirkt auf die inversen Signale vom Off-Typ. Tritt der gleiche Reiz nochmal auf, während er zuvor negativ bewertet wurde, so kontrahieren die motorischen Gegenspieler, die von den Off-Signalen aktiviert wurden. Deshalb verbrennt man sich nicht mehr die Hand am Ofen, wenn die negative Erfahrung bereits abgespeichert wurde.

Hier wird der Nutzen der Aufspaltung von Modalitäten in zueinander komplementäre On-Typen und Off-Typen deutlich. Sie sind eine Voraussetzung für die dualen Reaktionsmöglichkeiten des Lebewesens.

Heiß oder kalt, süß oder sauer, salzig oder bitter, aber auch gut oder schlecht sind die Endpunkte einer dualen Skala der Bewertung von Modalitäten, deren Grundlage durch die Aufspaltung vieler Modalitäten in komplementäre Submodalitäten geschaffen wird.

 

Monografie von Dr. rer. nat. Andreas Heinrich Malczan