Gehirntheorie des Menschen

ISBN 978-3-00-068559-0

Monografie von Dr. rer. nat. Andreas Heinrich Malczan

14.8    Eine Connectome-Theorie des Gehirns

Das amerikanische Connectome-Projekt liefert detaillierte Informationen über den Verlauf der Projektionsaxone des menschlichen Gehirns. Verblüffend stellt man fest, dass riesige Axonbündel fast parallel zueinander verlaufend fest zugewiesene Gehirnstrukturen miteinander verbinden.

Einem Mathematiker könnte der Gedanke kommen, die Axone realisieren letztlich nur eine Signalabbildung einer zugeordneten Inputfläche mit einer zugewiesenen Outputfläche. Da, wo sich Axonbündel in zwei Teilbündel aufteilen, könnten zwei Signalabbildungen vorliegen. Möglicherweise könnte eine Inputfläche sogar auf mehrere Outputflächen abgebildet werden.

Was liegt da näher, als einfach neuronale Abbildungen rein abstrakt zu betrachten und sie als Modell der realen Gehirnverbindungen zu entwickeln?

 

Hier beginnt die erste Abweichung vom theoretischen Modell. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass das Nervensystem generell als geschichtete Struktur zu verstehen ist.

Bereits im Cortex hat man sechs Schichten identifiziert. In der Retina des Auges soll es auch sehr viele verschiedene Schichten geben. Weitere Beispiele für geschichtete Strukturen sind das Tectum opticum, des Torus semicircularis sowie das Corpus geniculatum laterale oder das Cerebellum. Selbst der Nucleus ruber besteht aus magnocellularen und parvocellularen Schichten.

 

Somit müssen wir uns die Signalverarbeitung des Gehirns in geschichteten Modulen vorstellen. Hierbei muss es generell Inputschichten sowie Outputschichten geben, denn die Natur pflegt Zellen mit unterschiedlichen Aufgaben an unterschiedlichen Orten unterzubringen. Man denke nur an die Schichten der menschlichen Haut.

 

Ein weiteres Problem ist die unterschiedliche Anzahl der Inputneuronen und der Outputneuronen.

 

Definieren wir also zunächst eine neuronale Abbildung analog zu einer mathematischen Funktion zweier Veränderlicher. Dazu denken wir uns die Inputfläche als u-v-Ebene, in der die Inputsignale eintreffen.

Hier beginnt die erste Abstaktion: Der Input erreicht reale Nervenzellen. Damit gibt es in der u-v-Ebene gar keine stetige Abbildung, es gibt nur Punkte in dieser Ebene, die den Ort repräsentieren, an dem ein neuronaler Input eintrifft.

Damit ist unsere Abbildung eine disktere Abbildung einer Punktmenge in eine andere Punktmenge oder in mehrere, voneinander unabhängige Punktmengen.

Dennoch gehen wir davon aus, dass sich der Zusammenhang zwischen der Feuerrate des Inputs und der Feuerrate des Outputs über eine mathematische Funktion beschreiben lässt, die die Realität hinreichend genau widerspiegelt.

Die Beschaffenheit der Outputfläche muss noch diskutiert werden. Nehmen wir den Cortex als Outputfläche. Hier fällt auf, dass die Anzahl der Inputsignale die Anzahl der Outputsignale um Größenordnungen übersteigt. Wir könnten modellhaft annehmen, dass der Output zahlenmäßig um den Faktor 10000 größer ist. So sind einem Inputneuron 10000 Outputneuronen zugeordnet. Das wird zu berücksichtigen sein.

 

Da das menschliche Gehirn verschiedene Modalitäten wie Sehen, Tasten, Riechen, Schmecken, Hören verarbeiten kann, aber ebenso meist gut im Bilde ist über die Muskelspannung der Muskeln des Körpers und die aktuelle Stellung der Gelenke, also auch motorische Modalitäten wie Muskelspannungen oder Gelenkwinkel analysieren kann, sollten wir zunächst an einem Beispiel zeigen, was wir unter einer Inputfläche verstehen.

 

Wir denken uns den Körper in der Ebene abgewickelt, also als Körpermodell in der Ebene ausgebreitet. Hierbei können durchaus räumliche Verzerrungen auftreten. Wir bilden zwei solcher Körperkarten.

In die erste Karte zeichnen symbolisch wir alle Muskeln ein, die zur Streckung des betrefenden Gelenks führen. An die Stellen, wo die Muskeln am Gelenk ansetzen, markeiren wir jeweils eine Inputstelle. Diese Inputstelle möge den Signalwert des Muskelspannungsrezeptors des zugeordneten Muskels empfangen. Hat der Muskel mehrere Sehnenhorgane, wählen wir nur eines aus. Die Karte mit den Inputstellen bezeichnen wir als erste motorische Karte.

 

In der zweiten Karte zeichnen wir die Gegenspielermuskeln ein und wählen als Inputstelle ein Sehnenorgan des Muskels. Wir bezeichnen diese Karte als zweite motorische Karte.

 

An den Inputstellen beider Karten mögen sich gedachte Projektionsneuronen befinden, die die Feuerrate der betreffenden Sehnenorgane zu neuen Körperkarten senden. Jede motorische Körperkarte projiziert in genau eine neue Karte.

 

Die erste motorische Zielkarte befindet sich in einer Gehirnstruktur, die wir als Nucleus ruber bezeichnen.

 

Der Nucleus ruber ist eine geschichtete Struktur und besteht aus zwei äußeren Inputkarten und mehreren bis vielen Outputkarten, die übereinander gestapelt sind.

 

Die untere Inputkarte empfängt den Output der ersten motorischen Karte, also den Output der Sehnenorgane der Muskeln, die Gelenke beugen.

 

Die obere Inputkarte empfängt den Output der zweiten motorischen Karte, also den Output der Sehnenorgane der Gegenspielermuskeln.

Beide Karten übertragen die Inputtopologie auf die Outputtopologie, eine Veränderung der Feuerrate findet nicht statt.

 

Dieses Kapitel befindet sich noch in Arbeit! Fortsetzung folgt!


Monografie von Dr. rer. nat. Andreas Heinrich Malczan